Dom Minden  
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Das Jahr der Bibel - neuer Start für ein Leben mit dem Worte Gottes

Pfarrbrief vom 25.01.2004:
Am Sonntagabend beenden wir zwar im Mindener Dom mit einem ökumenischen Gottesdienst das Jahr der Bibel, aber Gottes Wort ist nicht am Ende. In vielen Veranstaltungen haben wir in allen christlichen Kirchen unserer Stadt versucht, Menschen an die Bibel heranzuführen. Durch Bibelgespräche haben die Teilnehmer etwas vom Worte Gottes, seiner Tiefe und seiner Kraft erfahren. Einige haben Worte entdeckt, die ihnen ganz neuen Halt gegeben haben. Eine plötzlich krebserkrankte Frau stieß auf den Vers im Ps. 121: „Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen. Woher kommt mir Hilfe? Meine Hilfe kommt vom Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Er lässt deinen Fuß nicht wanken; er, der dich behütet, schläft nicht.“ In diesem Augenblick - so sagte sie - sei sie ruhig geworden.

Ein anderer hat in dem Wort „Herr, auf dich vertraue ich, in deine Hände lege ich mein Leben“ (Ps. 31,6) Hilfe gefunden. So kann man in der Bibel Schätze heben, die das Leben tragen. Wenn ich auf eine einsame Insel verbannt würde und nur ein Buch mitnehmen dürfte, würde ich mich für die Hl. Schrift entscheiden. Wir wissen auch von Soldaten, die auf ihrem Weg in die Gefangenschaft eine Bibel zerrissen haben, um jedem ein Blatt mitgeben zu können. Schon eine einzige Bibelseite kann so viel an göttlicher Botschaft vermitteln, dass man nicht verzweifeln muss. Die Bibel ist ein Liebesbrief Gottes an uns Menschen; jeder Liebesbrief ist Ermutigung zum Leben. Man kann ihn immer wieder lesen.

Die Bibel fordert nicht Leistung, Kraft, Erfolg oder was der Mensch sonst erbringen könnte; sie spricht von Gnade, von den Geschenken, die Gott den Menschen macht. Sie berichtet, wie Gott sich uns immer wieder zuwendet, uns umsorgt, an unserer Seite geht und uns als Hirte führt. „Muss ich auch wandern in finsterer Schlucht, ich fürchte kein Unheil; denn du bist bei mir“ (Ps. 23,4 f). So können einzelne Worte wie tiefe Brunnen sein, aus denen wir ein ganzes Leben, oft gerade in einer Krise schöpfen dürfen.

In den letzten Jahren haben Theologen und Gläubige auch das Alte Testament wieder neu entdeckt. Es gehört genau wie das Neue Testament zur Bibel. Auch im Alten oder im Ersten Testament, das zu Jesus Christus hinführt, können wir uns mit unserer ganzen Menschlichkeit wiederfinden. Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland Paul Spiegel schildert in einem Aufsatz die Faszination des „Schmah Israel“, das die Juden täglich sprechen: „Höre Israel, er ist unser Gott, er einer. So liebe denn ihn, deinen Gott, mit all deinem Herzen, mit all deiner Seele, mit all deiner Macht. So seien diese Reden, die ich heuttags dir gebiete, auf deinem Herzen, einschärfe sie deinen Kindern“ (5 Mos 6,4-9; Übersetzung von Martin Buber). Von unseren Kindern ist da die Rede, denen wir immer wieder von Gott erzählen sollen. „Wenn du zu Hause sitzt oder wenn du auf der Straße gehst, wenn du dich schlafen legst oder wenn du aufstehst“ (5 Mos 6,7). Welch eine Verantwortung haben Eltern und Erzieher für die Weitergabe des Wortes Gottes an die nachfolgende Generation!

Ist es nicht wie ein Geschenk des Himmels, dass katholische und evangelische Christen eine gemeinsame Bibel als Grundlage ihres Glaubens besitzen? Sie können in ihr gemeinsam lesen, das Wort Gottes hinterfragen, es ins Leben übersetzen und aus ihm mit einer Stimme beten. Da Jesus gesagt hat, „meine Worte werden nicht vergehen“ (Mt 24,35) und sie demnach eine unerschütterliche Gültigkeit besitzen, sind sie für unser Leben ein felsenfestes Fundament. Darum sollten wir aus dem abgelaufenen Jahr der Bibel einen Vorsatz in das Heute und Morgen retten: „Die Bibel wird unser ständiger Begleiter; es gibt keinen Tag, an dem wir nicht hineinschauen, denn „die Bibel allein ist die Antwort auf alle unsere Fragen“ (Bonhoeffer).

Ihr

Paul Jakobi
Propst

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