Dom Minden  
  ARCHIV | PFARRBRIEFE  

Brief des Propstes an den neuen Erzbischof (Teil I)

Pfarrbrief vom 13.07.2003:
Lieber Hans-Josef!

Meine Glückwünsche zu Deiner Ernennung zum Erzbischof von Paderborn schreibe ich 4 Tage nach meiner Darmkrebsoperation aus dem Klinikum in Minden. Ich liege im 5. Stock und habe einen schönen Blick in Richtung Stadt. Das Bild gliedert sich in drei Ebenen: Oben der unendlich blaue und weite Himmel; er präsentiert sich als ein Ort, der die ganze Welt mit allen Menschen aufnehmen möchte. Der Himmel weiß, dass es nicht nur den Zweifel der Gläubigen gibt, an den uns das Fest des Apostels Thomas heute erinnert, sondern auch die Ungewissheit der Nichtglaubenden, die sich fernab von Gott angesiedelt haben. Immer werden sie „von der Frage bedroht, ob nicht der Glaube dennoch das Wirkliche sei“ (Joseph Ratzinger). Diese Erkenntnis verringert den Abstand zwischen Ungläubigen und Gläubigen und verlangt nach Brückenbauern. Der Zweifel der Ungläubigen öffnet das Tor zu denen, die ihre ganze Existenz auf dieser Welt aufbauen.

Unten im Bild liegt der Grüngürtel der Stadt, das Glacis. Diese dichten Baumbestände sind ein Bild für die Welt, aber auch für die Sehnsucht der Menschen nach Leben. Für viele ist sie bereits in dieser Welt erfüllt, viele aber übersteigen die Welt und sehen das Leben weiter und tiefer. Auch hier gilt: Wer diese Welt für das Letzte hält, wird wiederum von dem Zweifel gequält: „Vielleicht ist es doch wahr.“ Mit diesen Gedanken wollte ich Dich zu einer hoffnungsvollen Weltsicht ermutigen.

Aus dem Grün der Bäume heraus ragt die evangelische Marienkirche. Maria als Name für eine evangelische Kirche ist ein Hinweis auf das Streben der Christen nach Einheit. Dreimal am Tage läutet die Kirche wie bei uns den „Engel des Herrn“, die zentrale Botschaft von der Menschwerdung Gottes. Ist das nicht ein Fundament für unseren gemeinsamen Glauben?

Die Nachricht von Deiner Ernennung zum Erzbischof von Paderborn wurde mir zur Gewissheit, als die Glocken des Domes, die ich in meinem Krankenzimmer bei günstigem Wind gut hören kann, sich vom „Engel des Herrn“ zu einem festlichen und langen Läuten mit allen Glocken weiter entwickelten. Jetzt wusste ich, wir haben einen neuen Erzbischof und der heißt Hans-Josef Becker. Und da ich gerade mein Brevier beten wollte, habe ich mir gesagt: Dieses heutige Gebet schenke ich dem neuen Erzbischof.

Dem Brief an den Erzbischof möchte ich einen herzlichen Gruß aus dem Klinikum Minden an alle Schwestern und Brüder unserer Gemeinde anfügen.

Ihr

Paul Jakobi
Propst

zurück