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Im Vorfeld des Ökumenischen Kirchentages in Berlin hatte es im Ringen um die gemeinsame
Eucharistiefeier durch offizielle vor allem katholische Erklärungen erhebliche Verstimmung gegeben.
Viele Christen waren über die schroffen Absagen der Kirchenleitungen enttäuscht und verärgert.
57 % der Christen waren anderer Meinung als sie, so dass die Kluft zwischen Spitze und Basis erneut
sichtbar wurde. Sicherlich kann man über die Wahrheit nicht abstimmen. Aber was ist Wahrheit?
Wer kann sie für sich total in Anspruch nehmen? Wie würde Jesus einen solchen Konflikt heute lösen?
Der Kampf um das Abendmahl hat aber nicht nur negative Seiten. Er zeigt, wie sehr die
heilige Eucharistie in die Mitte der Diskussion gerückt ist. Im ökumenischen Miteinander sind
viele Fragen zur Zufriedenheit aller Seiten gelöst. Katholische und evangelische Christen begegnen sich
in außergewöhnlicher Offenheit und Freundlichkeit. Das Klima zwischen den Kirchen ist ausgezeichnet.
Es bestehen tiefe Freundschaften zwischen katholischen und evangelischen Christen, Pfarrern und Bischöfen.
Viele konfessionsverschiedene Ehen werden vorbildlich gelebt. Auch in den großen Problemen der Welt -
in dem Ringen um den Frieden, um soziale Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung, in den bioethischen
Auseinandersetzungen u. a. - bestehen kaum noch Unterschiede zwischen den kirchlichen Auffassungen.
In gleicher Weise wird von beiden Seiten die Bedeutung der geistlichen Dimension gesehen: wenn die Menschen
Menschen bleiben wollen und ihr Leben gelingen soll, muss der Himmel offen gehalten werden.
In getrennten oder gemeinsamen Gottesdiensten wird immer wieder darauf hingewiesen, dass der
„Mensch den Menschen um ein Unendliches übersteigt“ (Pascal). Mit den Füßen stehen wir in der Welt,
mit der Stirn berühren wir die Ewigkeit. Beide Kirchen wissen, wie sehr heute die Menschen
in der Banalität des Alltags, in der Oberflächlichkeit irdischer Angebote und in der Hektik des
beruflichen und gesellschaftlichen Lebens untergehen können.
Einer der wichtigsten Streitpunkte von hohem ökumenischen Interesse ist die heilige Eucharistie.
Allmählich werden die Christen ungeduldig. Die Kirchenleitungen müssen sich anstrengen,
um das Unverständnis ihrer Mitglieder zu beseitigen; sonst gehen die Christen ihre eigenen Wege
und eilen den offiziellen Entscheidungen voraus. Wenn es aber zur Zeit nicht möglich ist,
zu einem Konsens zu kommen, dürfen wir doch dafür dankbar sein, dass vielen Christen
das (gemeinsame) Abendmahl Großes bedeutet.
Am Fest Fronleichnam erfahren die evangelischen Christen, wie die Katholiken den Herrenleib
durch die Straßen der Stadt tragen. Das ist ein Bekenntnis zur Gegenwart Gottes im Altarssakrament.
Die heilige Eucharistie ist sowohl Höhepunkt als auch Quelle des christlichen Lebens
(vgl. 2. Vat. Konzil, Lumen Gentium 11). Aus dieser heiligen Eucharistie, die auch Quelle für die
Einheit der Christen ist, möchten wir schöpfen - katholische und evangelische Geschwister im Glauben.
Bei einer Umfrage der katholischen Wochenzeitschrift „Christ in der Gegenwart“,
was ihnen die heilige Eucharistie bedeute, haben 1.300 Leser geantwortet,
(leider kaum junge Menschen unter 30 Jahren). Das zeigt, wie sehr die Abendmahlsfrage
in die Mitte gerückt ist. Für viele katholische und evangelische Christen ist es
das große Geschenk Gottes an die Welt. Darum ist bei der Gestaltung des Sonntags
die heilige Messe unverzichtbar. Wir wünschten uns, dass auch die evangelischen Christen
das mehr und mehr begreifen würden. Die regelmäßige Abendmahlsfeier an jedem Sonntag
wäre ein riesiger Schritt zur Einheit.
Der „Kampf“ um das Abendmahl kann sich in Segen für die Christen verwandeln,
wenn beide Kirchen bereit sind, füreinander ein Segen zu sein.
Ihr
Paul Jakobi
Propst
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