Dom Minden  
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Goldenes Priesterjubiläum

Pfarrbrief vom 23.03.2003:
Diesmal schreibe ich den Pfarrbrief im Paderborner Priesterseminar, in dem ich mich vor genau 50 Jahren in Exerzitien auf die Priesterweihe vorbereitet habe. Das Geheimnis der Weihe durch den damaligen Erzbischof Dr. Jäger und der anschließende Stellenantritt in einer uns noch unbekannten Gemeinde machten diese Tage aufregend und spannend. Von den 44 damals geweihten Mitbrüdern sind bereits 22 tot; 16 nahmen jetzt an den Jubiläumsexerzitien teil. Die anderen waren krank, einige schon sehr gebrechlich. Wer es eben kann, hilft in seiner Gemeinde als Subsidiar aus. Ich bin der einzige, der noch im Amt ist. Übrigens war ich jetzt auch der einzige, der jeden Tag im „Zölibad“ geschwommen ist.

Vor 50 Jahren waren die beiden nebeneinander liegenden großen Häuser - das Theologenkonvikt und das Priesterseminar - bis auf den letzten Platz mit Theologiestudenten besetzt. Heute ist im Seminar ein kleiner Rest von 9 Diakonen geblieben. Ganze Häuserflügel und viele Flure sind anderweitig vermietet. Nur der große Garten ist geblieben, in dem wir damals meditiert und diskutiert, Fußball gespielt und mit befreundeten Kurskollegen die Frage besprochen haben, ob wir überhaupt berufen und für diesen Dienst würdig seien. Jeder von uns wusste um die eigenen Defizite, um Versagen und Schuld. Etwas wurde von diesem Ringen um den richtigen Weg deutlich, als mein bester Freund am Tag vor der entscheidenden Weihe das Seminar verlassen wollte; ich konnte ihn nach langen Gesprächen halten. Er ist ein guter und auf der hierarchischen Leiter hoch angesiedelter Priester gewesen und schon vor Jahren ergeben gestorben. Geblieben sind vor dem Haupteingang zum Priesterseminar auch die beiden steinernen Großfiguren: der hl. Petrus, in dessen Gemeinde ich nun schon über 15 Jahre tätig sein darf, und der hl. Paulus, dessen Name ich trage und dessen Wort „Jesus Christus ist der Herr“ (Phil 2,11) ich zu meinem Primizspruch wählte. Mein Leben sollte christologisch und damit später auch ökumenisch geprägt sein.

Als ich jetzt von meinem Zimmer wehmütig auf die Stadt Paderborn schaute, aus der auch meine beiden Eltern stammten, fiel mein Blick auf den Dom, in dem wir am Fest des hl. Benedikt am 21.3.1953 - 8 Jahre nach dem Kriege - zum Priester geweiht wurden und in dessen Nähe ich 6 Jahre als Diözesanjugendseelsorger tätig gewesen bin. Ein zweiter Blick fiel auf die Jesuitenkirche, an die ich 1957 nach 4-jährigem Vikarsdienst in Bochum versetzt wurde. Ich gehörte zu den 5 Priestern, die der Erzbischof von Paderborn in sein Bistum zurückrufen durfte, als das Bistum Essen gegründet wurde. In Bochum war ich 1953 in eine zerstörte Kirche eingezogen; auch die Paderborner Jesuitenkirche war noch nicht wieder aufgebaut, so dass ich in einer kleinen Notkirche die Gottesdienste feiern musste. In Minden traf ich dann wieder auf eine Baustelle, die sich aber inzwischen zu einem herrlichen Dom entwickelt hat.

Natürlich gingen während der Exerzitien meine Gedanken auch zurück nach Düsseldorf, wohin ich von den Jugendseelsorgern Deutschlands durch eine Wahl beordert worden war. Da ich in ihr einen Ausdruck des göttlichen Willens sah, habe ich 1965 die Wahl zum Bundespräses des Bundes der Deutschen Katholischen Jugend angenommen. Nach 8-jähriger Tätigkeit wollte ich das Feld für einen jüngeren Priester räumen. So war ich von 1974 bis 1988 Verbandspräses der DJK und gleichzeitig Beauftragter der Deutschen Bischofskonferenz für Kirche und Sport.

Im Rückblick kann ich sagen: Jede Zeit war spannend und interessant, keine möchte ich missen. Überall gab es Höhen und Tiefen, Freuden und Ärger, Niederlagen und Erfolge, vor allem aber auch freundliche, gläubige und engagierte Menschen. Mit vielen habe ich heute noch Kontakt. Meine augenblickliche seelische Verfassung ist von Glück, Optimismus und Dankbarkeit bestimmt. Ich empfinde keine Spur von Resignation, obwohl sich in diesen 50 Jahren in der Kirche sehr viel verändert hat. An meiner ersten Stelle standen an bestimmten Festtagen 60 bis 70 Menschen vor meinem Beichtstuhl; wenn ich zur Kanzel ging, musste ich mich durch die Menge der Gottesdienstbesucher hindurchzwängen. Manchmal wurde ich in einer Nacht zweimal in das große Unfallkrankenhaus „Bergmannsheil“ zu Sterbenden gerufen. Vieles ist anders geworden, vieles ging verloren, anderes ist neu aufgebrochen. Wer heute in der Kirche mitmacht, der ist in der Regel überzeugt und engagiert. Haben wir in Minden nicht eine lebendige Gemeinde? Haben wir nicht im Dom einen einmalig schönen und heiligen Ort? Haben wir nicht viele aktive Männer und Frauen und auch Jugendliche? Sind wir katholischen Christen nicht angesehen in der Diaspora?

Meine Leidenschaft für Gott und für die Menschen ist nicht erloschen; ich bin nach wie vor ein Priester aus Passion. Diese Leidenschaft möchte ich immer wieder in dem Größten, was wir haben, in der Dankesfeier der hl. Eucharistie zum Ausdruck bringen. In der Dankbarkeit liegt ein Bekenntnis zum Du. Darum soll auch mein Goldenes Priesterjubiläum allein vom festlichen Gottesdienst bestimmt sein; denn die Würde des Menschen zeigt sich im Lobpreis Gottes.

Ihr

Paul Jakobi
Propst

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