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Wer führt uns durchs neue Jahr?

Pfarrbrief vom 05.01.2003:
Alle Menschen, die am Anfang des Jahres diese bange Frage mit dem Wort Wer einleiten, setzen auf Personen ihre Hoffnung. So ganz falsch können sie damit nicht liegen. Zumindest zielt die Frage in eine richtige Richtung. Viele andere beginnen die Frage nach der Führung durch das neue Jahr mit der Vokabel Was. Und dann finden sie viele Antworten: das Geld, die Macht, die Apparate, die Sterne, die Horoskope, der Besitz, die Technik. Diese Mächte werden zu Göttern hochstilisiert. Wer seinen Glauben verloren hat, muss eben woanders Halt suchen. Friedrich Wilhelm Weber sagt dazu:

"Glaube, dem die Tür versagt,
steigt als Aberglaub' durchs Fenster.
Wo die Götter ihr verjagt,
kommen die Gespenster."

Natürlich können viele Mächte Bedeutung haben; sie können Helfer sein auf dem Lebensweg. Aber letzten Halt geben sie nicht.

Manchmal wünsche ich mir, ein Engel käme und würde mir den Weg zeigen - wie damals Raphael dem Tobias, schrieb mir zu Weihnachten eine Mitarbeiterin. Diesem Engel würde ich schon mehr Vertrauen schenken als den vielen selbst gemachten Göttern. Engel haben nämlich mit Gott zu tun. Wichtiger als alles, was die Welt uns an Sicherheiten bieten kann, ist die Hand Gottes. In China wird das Gespräch überliefert:

Ich sagte zu dem Engel, der an der Pforte des neuen Jahres stand: Gib mir ein Licht, damit ich sicheren Fußes der Ungewissheit entgegen gehen kann. Aber er antwortete: Geh nur hin in die Dunkelheit und lege deine Hand in die Hand Gottes. Das ist besser als Licht und sicherer als ein bekannter Weg.

In der Geschichte des Glaubens hat es viele Menschen gegeben, die nach diesem Wort gelebt haben. Auch sie blieben nicht verschont von Kreuz und Leid; aber in Kreuz und Leid fanden sie Halt und Kraft, weil sie einen Glauben hatten. Die hl. Therese von Lisieux, vielleicht die größte Heilige der Kirche, erzählt eine kleine Geschichte, in der sie sich selbst beschreibt:

Ein König, der auf die Jagd gegangen war, verfolgte einen weißen Hasen. Seine Hunde hatten ihn schon fast eingeholt. In diesem Augenblick kehrte der kleine Hase plötzlich um und sprang in die Arme des Jägers. Dieser war über so viel Vertrauen betroffen und wollte sich von dem weißen Hasen nicht mehr trennen.

Wer führt uns durchs neue Jahr? Therese antwortet: Der König, in dessen Arme wir springen. Wer sich so Gott anvertraut, der braucht sich vor der Zukunft nicht zu fürchten.

Ihr

Paul Jakobi
Propst

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