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Der missionarische Papst

Pfarrbrief vom 26.10.2003:
Johannes Paul II. ist 25 Jahre Papst. Keine Zeitung der Welt lässt ihn unerwähnt. In den Kommentaren wird er unterschiedlich gewürdigt; aber Respekt vor seiner Lebensleistung zollen ihm alle. Die Leistung hat eine Spannweite von tiefer Spiritualität bis zum Kampf für Menschenrechte und Freiheit. Religiöses Leben hat immer auch politische Auswirkungen. Darum konnte für ihn der Weg der Kirche auch nur der Weg des Menschen sein. Die Kirche muss die Menschen erreichen und sie auf Gott hin verändern. Bei diesen Bemühungen hatte der Papst riesige Erfolge, aber auch unübersehbare Schwierigkeiten.

Sein Freund und Förderer, vielleicht auch derjenige, der Kardinal Wojtyla zum Papst gemacht hat, der Wiener Kardinal König hat über ihn gesagt: „Der Papst hat vieles in Bewegung gesetzt, hat vieles erreicht, aber vieles auch unvollendet, bruchstückhaft liegen lassen. So hat er nicht die Macht der von Juristen dominierten Kurie eingedämmt, nicht dem immer stärker werdenden Zentralismus Einhalt geboten, keine Balance zwischen Einheit und Vielfalt in der Kirche gefunden. Ohne Antwort geblieben sind für Kardinal König auch die quälenden Fragen nach der Stellung der Frau in der Kirche, dem Zusammenwirken von Papst und Bischofskollegium bei der Leitung der Kirche, vor allem aber die Kernfrage jeder Ökumene, die nach der Ausübung des Primats des Bischofs von Rom - für jeden Nachfolger eine ungeheure Last bedeutet." (FAZ vom 16.10.2003).

Trotz der vielen ungelösten innerkirchlichen Fragen ist der Papst von Katholiken und Nichtkatholiken - vor allem von Jugendlichen - hoch verehrt. Was ist das Geheimnis dieses Papstes? Vielleicht ist es seine missionarische Gesinnung, die am heutigen Weltmissionssonntag besonders aufleuchtet. Er ist im tiefsten seines Herzens davon überzeugt, dass das Erlösungsgeschehen Jesu Christi das Heil und die Rettung der Welt bedeuten. Nach seiner Meinung führt eine Welt ohne Gott in den Abgrund. So hat er ein unbeschreibliches christliches Selbst- und Sendungsbewusstsein entwickelt, mit dem er der Welt, den Religionen, Konfessionen und Staaten gegenübertritt. Er weiß genau, dass in allen Religionen und Konfessionen Wahrheiten stecken, die man als göttlich bezeichnen kann und die sich nicht von denen der katholischen Kirche unterscheiden. Darum sucht er Kontakte zu allen Ländern und Institutionen der Welt, um das Gemeinsame zu finden. Er betet mit Vertretern aller Religionen und Konfessionen in der Hoffnung, dass sie Menschen zusammenführen und den gemeinsamen Vater im Himmel erreichen. Er geht in die Synagoge der Juden, in die Moschee der Muslime und selbstverständlich in alle christlichen Kirchen, um seinen Respekt vor diesen anderen Wegen zu Gott zum Ausdruck zu bringen.

Johannes Paul II. hat ein missionarisches Herz; er hat nicht nur die Katholische Kirche, sondern die ganze Welt im Blick - nicht aus Machtansprüchen, sondern aus dem Anspruch der Liebe. Alles Handeln kommt aus einem tiefen Glauben, der ihn zum sichtbaren Beten und zu öffentlichen Gottesdiensten treibt. Auf allen großen Plätzen der Welt hat er die heilige Eucharistie gefeiert, aus der er seine Kraft bezieht.

Sein Herz ist deshalb missionarisch, weil es ihn in die Welt drängt, hin zu allen Staaten und Völkern. Seine 102 Auslandsreisen sind Ausdruck seines globalen Denkens. Das Küssen des Bodens verrät Respekt vor den Besonderheiten eines jeden Landes. Es wird kaum einen Menschen in der Welt geben, der diesen Papst nicht kennt, und umgekehrt kennt er die Armen- und Elendsviertel der Städte. Die meisten hören aufmerksam auf seine Botschaft der Liebe und richten große Hoffnungen auf ihn im Kampf für Freiheit, Menschenwürde und Gerechtigkeit. Das Evangelium, das er den Menschen bringen will, ist nicht ein frommer Erguss, sondern das Angebot für eine menschlichere Welt.

Dass der Papst sein missionarisches Wirken mit seiner schweren Krankheit verbindet, gibt seinem Bemühen eine besondere Tiefe. Er versteckt seine Gebrechlichkeit nicht, sondern macht sie zur Ermutigung für Leidende. Bei seinem Deutschlandbesuch 1980 hat er im Liebfrauendom in München über die Würde und Bürde des Alters gesprochen. „Der Heiland ist in den Prüfungen des Alters euer Leidensgefährte ... Keine Träne weint ihr allein ... Nehmt euer Leiden an als seine Umarmung und macht es zum Segen.“ Johannes Paul II. lebt nun selbst vor, was er den alten Menschen in München gesagt hat.

Ihr

Paul Jakobi
Propst

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