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Auf dein Wort hin ...

Pfarrbrief vom 19.10.2003:
Predigt unseres neuen Erzbischofs Hans-Josef Becker zu seiner Amtseinführung am Sonntag, den 28.9. im Dom zu Paderborn (Teil II)

Nicht der Wundersamkeit wegen ist das Zeichen des erfüllten Fischfanges bei Lukas überliefert, sondern um unwiderruflich deutlich zu machen:

Alle, die dem Wort Jesu folgen,
alle, die es manchmal auch unbegriffen und unbegrifflich tun,
alle, die ihm nachgehen, das ängstliche Fragen zurückstellen und ihm folgen,
erleben eine unbeschreibliche Bereicherung, ein Glück, einen wahren Segen.

Die Begebenheit am See Genesaret deutet sich mir wie ein heilsames Medikament gegen den weit verbreiteten Mehltau der Resignation in der Kirche von heute und unter den Christen unserer Tage. Lauert nicht die Gefahr, dass Seelsorge in Zählsorge erlahmt? –

Wie viel deprimierte Aufgebrachtheit – aus welchen Gründen auch immer – erschwert notwendige und konkrete Kritik. Die Polarisierung in Schlagworten wie „Kirche von oben“, „Kirche von unten“, verschließt die Aussicht auf eine notwendige „Kirche von innen für draußen!“

Sehr nachdenklich stimmt mich der Satz Martin Bubers: „Was uns wirklich zum Verhängnis werden kann, ist der Glaube an das Verhängnis.“

Dagegen fällt mir in der Szene am Ufer des Sees auf:

Als Simon in seiner ganzen Kleinheit vor der ganzen Größe Jesu steht, geschieht das Entscheidende:
„Fürchte dich nicht! Von nun an wirst du Menschen fangen!“

Das meint: Ich kenne dich. Ich sage Ja zu dir. Ich vertraue mich dir an. Ich kann dich brauchen und ich will dich brauchen. Ich kann und will durch Menschen, die Sünder sind, meinen Weg durch die Geschichte machen.

Und Simon lässt sich darauf ein.

Und seit er dies getan hat, haben auch wir keine Ausrede mehr, uns dem Herrn zu verweigern und seiner Liebe zu uns; es gibt keine Ausrede mehr, seiner Sendung und seinem Auftrag davonzulaufen unter Berufung auf Schuld, Versagen und Schwäche.

Das ist das Großartige am Handeln Gottes: Er geht das Risiko ein, seine Sache schwachen und sündigen Menschen anzuvertrauen. Und er kann es, weil er selbst immer dabei ist, sein Interesse nicht zurücknimmt. Der Erfolg, das gute Ende, ist und bleibt seine ureigene Tat.

Darin eröffnet sich ein hilfreicher Blick auf die Sendung der Kirche heute und auf die Berufung jedes einzelnen Christen, ob Mann oder Frau, Priester oder Laie:
„Ich bin berufen zu tun oder zu sein, wofür kein anderer berufen ist. Ich habe einen Platz auf Gottes Erde, den kein anderer hat!“ (Kardinal Newman).

So leben und erleben wir Kirche, wenn wir Jesus Christus, das endgültige Wort Gottes in die Zeit, als den lebendigen Herrn kennen und anerkennen, wenn wir ihn hören und ihm folgen. Durch den Glauben und die Feier der Geheimnisse lebt Christus in der Kirche.

Das Versprechen an Petrus, das seinen klein karierten Glauben überholt, gilt seitdem der Kirche, dem ganzen Volke Gottes. Wie Petrus im Vertrauen auf diese Zusage neue Jünger sammelt, so dürfen wir uns und die anderen dazu ermutigen, der Geschichte Jesu zu trauen.

Jeder hat seine eigene Geschichte vor Gott. Eines ist uns Christen aber gemeinsam: Wir können tatsächlich auf Vorschuss leben, weil Gott uns viel zutraut. Er sagt und zeigt uns das auch heute: Im Wort und im Sakrament!

Wir erzählen uns gegenseitig die Vertrauensgeschichte Gottes mit den Menschen und erfahren in der Feier der Sakramente der Kirche diesen Vertrauensvorschuss seiner Liebe:

In der Taufe nimmt Gott den Menschen an und traut ihm zu, ein Christ zu werden. In der Eucharistie schenkt er den Menschen den Vertrauensvorschuss intensivster Begegnung. In der Buße schenkt er Verzeihung und traut uns zu, neu und besser zu werden; in der Firmung traut er dem Heranwachsenden zu, dass er in der Gemeinschaft der Glaubenden seine Verantwortung übernehmen kann. Im Ehesakrament traut er dem Jawort zweier Menschen zu, dass es ehrlich und in Treue gemeint ist. In der Priesterweihe traut er einem Menschen zu, dass er sein Leben für die Lebendigkeit und Christustreue der Gemeinde einsetzt. In der Krankensalbung traut er Menschen in Grenzsituationen zu, dass sie ihr Leid als eine für ihre Beziehung zu Gott und zu den Menschen entscheidende und weiterbringende Phase erleben.

Indem uns Gott durch Jesus Christus in den Sakramenten so viel zutraut, schenkt er uns zugleich die Kraft im Heiligen Geist, seinem Vertrauen soweit wie möglich gerecht zu werden.

Ich ahne inzwischen, was Kardinal Martini meint, wenn er sagt: „Die Kirche ist nicht dazu da, Bedürfnisse zu befriedigen, sondern Geheimnisse zu feiern.“

Von Erwartung sprach ich anfangs. Auf viele Erwartungen an mich möchte ich antworten: In froher Bereitschaft will ich auf Sein Wort hin mit Ihnen und allen Menschen guten Willens den Weg des Glaubens in der uns geschenkten Zeit gehen im apostolischen Dienst als Euer Erzbischof.

In Hoffnung und Zuversicht erwarte ich, ich wünsche mir und erbitte ich von Ihnen, dass wir im Erzbistum Paderborn und in den Gemeinden und allen Lebensräumen häufiger als bisher auf alle uns bevorstehenden Aufgaben gemeinsam antworten: „Auf dein Wort hin, Herr!“

Amen.


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