Dom Minden  
  ARCHIV | PFARRBRIEFE  

Die Kreuzkirche auf dem Wittekindsberg

Pfarrbrief vom 21.09.2003:
Die Entdeckung dieser Rarität 1996 ist von überragender Bedeutung. Bisher wurden in ganz Europa nur 4 solcher Kirchen gefunden, die einem griechischen Kreuz nachgebildet sind. In der Mitte befindet sich ein quadratischer Raum von 4 x 4 m; an jeder Seite schließt sich ein gleichgroßes Quadrat an. Damit handelt es sich nicht um einen liturgischen Raum für Gottesdienste, der kaum Platz für einen Altar bieten könnte. Wir haben es mit einer Grabeskirche zu tun, die über bereits vorhandenen Gräbern einer sicherlich herrschaftlichen Familie errichtet worden ist. Es wurden Reste von 5 Gräbern freigelegt, von denen 4 Kinder und eines eine Frau bargen. Die Namen der Toten sind nicht bekannt.

Ohne den Dom mit seinen Bischöfen ist die Kreuzkirche auf dem Wittekindsberg nicht zu verstehen. Die Wittekindsburg, die im 10. Jahrhundert eine Ausdehnung von etwa 500 m hatte, gehörte zum Besitz des Bischofs von Minden. Es wird berichtet, dass Bischof Milo (973 - 996) ein treuer Gefolgsmann des Kaisers Ottos des II. war. Der Kaiser hat es ihm mit der Verleihung des Münz- und Marktrechtes gedankt, aber auch mit Ländereien. Von diesem Besitz schenkte der Bischof, in dessen Amtszeit der Bau der Kreuzkirche fallen könnte, der Klausnerin Tetwif, die auch im Mindener Heiligenfenster des Domes abgebildet ist, Grundbesitz für sich und ihre Mitschwestern. Sie lebte nach der Regel des hl. Benedikt. Aber schon wenige Jahre später - um 1000 - verlegte der nachfolgende Bischof Ramward (996 - 1002) das Benediktinerinnenkloster vom Wittekindsberg in die Stadt Minden. Wahrscheinlich sind die Schwestern mit den Problemen der Witterung, vielleicht auch der menschlichen Bedrohungen nicht fertiggeworden. Sie siedelten sich an der Marienkirche an.

Immer wieder können wir das christliche Engagement unserer Vorfahren bewundern. Um das Jahr 1000 war die Stadt Minden und ihre Umgebung von Kirchen, Klöstern, Einsiedeleien, Kapellen und christlichen Symbolen durchsetzt. Wie die ausgegrabene Kreuzkirche zeigt, spielte das Kreuz eine zentrale Rolle. Bis ans Ende der Zeiten wird es für die Christen von allergrößter Bedeutung bleiben, auch wenn es nicht nur „den Juden ein Ärgernis“ (1 Kor 1,23) war, sondern heute auch bei manchen Christen zum Zeichen des Widerspruchs geworden ist. Sein Entfernen aus Schulklassen, weil der Unterricht vor einem solchen schrecklichen Bild für Kinder nicht zumutbar sei, macht das Ärgernis des Kreuzes erkennbar. Und das Tragen des Kreuzes als Schmuckstück führt zu einer Verharmlosung dieses Zeichens, wenn es nicht mit einem Bekenntnis zu Christus verbunden ist.

Unsere christlichen Vorfahren haben unter ihren persönlichen Kreuzen - Angst und Not, Krankheit und Schrecken, Armut und Krieg - Halt und Sicherheit im Kreuz Jesu Christi gefunden. Thomas Merton hat diese Erfahrung in folgende Erzählung gekleidet: Es war einmal ein Mann, den ängstigte der Anblick seines eigenen Schattens so sehr, dass er beschloss, ihn hinter sich zu lassen. Er sagte zu sich: Ich laufe ihm einfach davon. So stand er auf und lief davon. Aber sein Schatten folgte ihm mühelos. Er sagte zu sich: Ich muss schneller laufen. Also lief er schneller und schneller, lief so lange, bis er tot zu Boden sank. Wäre er, sagt der chinesische Weise, wäre er einfach in den Schatten eines Baumes getreten, so wäre er seinen eigenen Schatten losgeworden. Aber darauf kam er nicht.

Dieser Mann ist jedermann. Wir alle werden verfolgt vom Schatten unseres Kreuzes. Es gibt nur eine Möglichkeit, ihn loszuwerden: Wir müssen in den Schatten eines Baumes treten; in seinem Schatten wird unser Schatten aufgelöst. Für den Glaubenden ist dieser Baum das Kreuz.

An diesen Baum des Kreuzes will die Kreuzkirche auf dem Wittekindsberg uns erinnern.

Ihr

Paul Jakobi
Propst

zurück