Dom Minden  
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Würdiger Umgang mit den Verstorbenen

Pfarrbrief vom 22.06.2003:
Wie bereits mehrfach berichtet wurde, ist das Altenheim St. Michael in ein schönes Wohn- und Pflegehaus für alte Menschen umgebaut worden. Viele Bewohner der Stadt haben sich von der modernen und funktionsgerechten Renovierung des alten Klosters persönlich überzeugen können. Ortsbezeichnungen wie Kreuzhof, Kreuzgang, Refektorium und Klosterstübchen oder Klostercafé stellen historische Bezüge her. Der Geist des Klosters mit seiner Liebe zu schwachen und gebrechlichen Menschen konnte in das völlig umgestaltete Haus hinübergerettet werden.

Ein äußeres Beispiel dieses Geistes ist der neu eingerichtete Verabschiedungsraum am Ausgang des Hauses. Naturgemäß sterben oft in rascher Folge Heimbewohner, die nach ihrem Tode noch eine kurze Zeit im Hause verbleiben. Uns war es ein wichtiges Anliegen, für diese Verstorbenen einen würdigen Raum zu schaffen, in dem die Angehörigen sich von ihren Verwandten verabschieden können. Dieser Raum erinnert im Kreuz an den Schmerz des Todes, schenkt aber auch Trost in der brennenden Osterkerze, die das neue Leben verheißt. Bilder von Siger Köder schenken den Hinterbliebenen in ihrer tiefen Trauer eine Hoffnung, die ihnen den schweren Abschied erleichtert.

Auf diesem Hintergrund betrachten wir das soeben vom nordrhein-westfälischen Landtag verabschiedete Bestattungsgesetz mit Skepsis. Das Gesetz, das am 1. September in Kraft tritt, hat den heftigen Widerstand der beiden großen Kirchen in verschiedenen Bereichen unberücksichtigt gelassen. In Zukunft ist die Sargpflicht bei Erdbestattungen und die Friedhofspflicht für Urnen aufgehoben; die Asche eines Toten kann auf speziellen Flächen verstreut werden. Durch den Protest der Kirchen konnte lediglich erreicht werden, dass die Urne mit der Totenasche nicht zu Hause aufbewahrt werden darf.

Wenn das Gesetz auch einige Verbesserungen enthält, so richtet sich die Sorge der Kirchen vor allem gegen eine mögliche Verrohung der Bestattungskultur. Der Mensch hat ein Recht auf eine menschenwürdige Behandlung auch nach seinem Tode. Zuweilen wurde in der Geschichte die Asche eines verbrecherischen Diktators im ganzen Lande verstreut; eine solche Behandlung sollte eine Heldenverehrung verhindern, gleichzeitig aber auch die Missachtung dieses Menschen zum Ausdruck bringen.

Die Friedhöfe sind Orte der Pietät; sie machen die Lebenden nachdenklich und stellen sie vor letzte Fragen. Es gehört zu einem menschenwürdigen Leben, sich mit dem „Wohin“ auseinander zu setzen. Eine Friedhofskultur lässt darüber meditieren, was jetzt mit den Verstorbenen sein wird. Sie sagen uns: „Wie ihr seid, waren wir; wie wir sind, werdet ihr sein.“

Auch das gehört zur Weisheit des Lebens, die einer christlichen Deutung vorausgeht: wir brauchen Orte, an denen wir weinen, trauern, verzeihen und beten können. Manches im Leben ist vielleicht nicht geklärt oder aufgearbeitet. Der Gang zum Grab ermöglicht das Gespräch. Wir haben den Toten und die Toten haben uns viel zu sagen. Trauer bedarf des ruhigen und würdigen Ortes, der ein Stück Heimat ist. Hilde Domin beendet ihr Gedicht „Ziehende Landschaft“ mit den Worten: „Man muss den Atem anhalten, bis ... wir zu Hause sind, ... und niedersitzen können und uns anlehnen, als sei es an das Grab unserer Mutter.“

 
Ihr

Paul Jakobi
Propst

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