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Am vergangenen Gründonnerstag, als sich in unserem Dom der eindrucksvolle Ritus
der Fußwaschung ökumenisch vollzog, hat der Papst in Rom seine 14. Enzyklika
„Ecclesia de Eucharistia“ - „die Kirche lebt aus der Eucharistie“ unterschrieben.
Sie war seit längerem angekündigt und hatte dadurch kaum erfüllbare Erwartungen
geweckt. Nur wer die Hoffnung hatte, der Papst würde die Abendmahlsgemeinschaft
zwischen katholischen und evangelischen Christen gestatten, wurde enttäuscht.
Wenn auch drei ökumenische Institute kurz vor der Veröffentlichung in einer
gemeinsamen Erklärung den Standpunkt vertraten, der Weg zu einer eucharistischen
Gastfreundschaft sei theologisch frei, sind viele andere ökumenische Institute,
Bischöfe, Bischofskonferenzen und vor allem der Papst anderer Meinung. Die
Verlautbarungen der deutschen Bischöfe zum Ökumenischen Kirchentag in Berlin
zu der Frage ökumenischer Eucharistiefeiern mussten alle Christen
vor falschen Erwartungen gewarnt haben.
Es ist nicht möglich, in einem kurzen Aufsatz die schwierigen theologischen
Fragen zu behandeln, die der Papst in seiner Enzyklika zur Sprache bringt.
Seine Grundaussage ist, dass es ohne Kirchengemeinschaft keine
Abendmahlsgemeinschaft geben könne. Zur Begründung seiner These weist er auf
die unterschiedlichen Auffassungen der Kirchen hin, die noch immer in einigen
theologischen Fragen bestehen. Können auch Laien aufgrund des allgemeinen
Priestertums aller Gläubigen den Vorsitz in einer heiligen Eucharistiefeier
übernehmen oder nur gültig geweihte Priester? Ist unter der apostolischen
Sukzession (Amtsnachfolge) die ununterbrochene Kette der Bischofsweihen
von Generation zu Generation oder lediglich die Glaubensübereinstimmung mit
der Lehre der Apostel zu verstehen? Bleibt das in der Messe verwandelte Brot
auch nach der Eucharistiefeier Leib Christi, so dass es im Tabernakel
aufbewahrt und verehrt werden kann oder wird es nach der hl. Messe wieder
zu normalem Brot? Ist die hl. Messe mehr Mahl oder mehr Kreuzesopfer Jesu Christi?
Auch wenn diese Fragen noch nicht geklärt sind, so sagen die Verteidiger des
gemeinsamen Abendmahls, ist zu beachten, dass Christus selbst der Einladende
zum Gastmahl ist; deshalb habe keine Institution das Recht, einen Christen von
der Teilnahme auszuschließen. Da Jesus immer den Glauben der Menschen einfordert,
sei nicht die Zugehörigkeit zu der katholischen oder evangelischen Kirche wichtig,
sondern allein der Glaube an die Gegenwart Christi im Sakrament. Da die Kritiker
der Enzyklika der Kirche nicht zutrauen, die Einheit unter den Christen noch auf
dieser Erde zu erreichen, fürchten sie eine bewusste Verschiebung ins „Unendliche“,
um nur ja am jetzigen Zustand festhalten zu können. Somit ist ihre Argumentation
ganz anders als die des Papstes: Sie verbinden mit dem gemeinsamen Mahl die
Hoffnung, dass gerade dadurch neue ökumenische Impulse in die Kirche fließen,
die die Wiedervereinigung der getrennten Christen beschleunigen können. Am meisten
leiden die bekenntnisverschiedenen Ehen unter der Zerrissenheit; darum erscheinen
ihnen die gemeinsamen Eucharistiefeiern im Sinne der Einheit und des Bestandes
der Ehe sogar lebensnotwendig.
Dass diese ungelösten theologischen Probleme nicht unüberwindbar sind, macht
der Papst in seiner Enzyklika selbst deutlich, indem er am Rande auf
Ausnahmesituationen eingeht, die den Grundsatz aufweichen. Mein früherer Pastor
pflegte zu sagen: „Was mit Dispens geht, geht auch ohne Dispens.“ Damit
wollte er deutlich machen, dass eine Ausnahmeregelung nur dann möglich ist,
wenn der Grundsatz sie zuläßt. So gestattet der Papst in seinem Schreiben in
besonderen Situationen und Notfällen, evangelischen Christen das Sakrament der
Eucharistie, der Buße und der Krankensalbung zu spenden. Auch in unserer
Gemeinde halten wir uns an diese Regelung, in der es um Einzelfälle geht und
die oft erst nach Rücksprache mit dem Seelsorger praktiziert werden.
Das Schreiben des Papstes ist nicht gegen die Ökumene gerichtet,
obwohl es durch seine eindeutige theologische Aussage so erscheinen könnte.
Gerade durch sein Bemühen, das „Staunen über die Eucharistie“ neu zu wecken
und den Sonntag als den Tag des Herrn wieder ins Bewusstsein der Menschen zu
bringen, zeigt die Enzyklika ihre ökumenische Gestalt. Wenn etwa 90 % der
Christen in Europa der sonntäglichen Feier des Herrenmahles fernbleiben,
wird erkennbar, wie sehr der Sonntag religiös entleert ist. Der Papst wirbt
für das „Geheimnis des Glaubens“, dem er ein eigenes Kapitel widmet. Die
Begründung für den Sonntagsgottesdienst ist auch ein Dienst an der
evangelischen Kirche, weil nur die Gottesverehrung in allen Kirchen die
christliche Ausprägung des gesamten europäischen Kulturraumes sichern kann.
In unserer Gemeinde beten wir an jedem Donnerstag - dem Tag der Eucharistie
- um die Einheit der Christen. Alle, denen diese Einheit am Herzen liegt,
werden herzlich zur Mitfeier eingeladen.
Ihr
Paul Jakobi
Propst
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