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Wem gehört die Welt?

Pfarrbrief vom 06.04.2003:
Wer könnte eine solche Frage beantworten? Sie gleicht der anderen, die wir nur scherzhaft stellen: Was kostet die Welt? Dennoch hat das bischöfliche Hilfswerk MISEREOR in diesem Jahr seine Fastenaktion unter das Motto gestellt „Wem gehört die Welt?“ Kein Mensch auf dieser Erde verfügt über entsprechende Einflüsse und Reichtümer, so dass er die Welt sein eigen nennen könnte. „Mir gehört die Welt“ - welcher Mensch will das behaupten? Das Motto der MISEREOR-Aktion möchte provozieren und uns zum Nachdenken anregen. Im Sinne uneingeschränkter Verfügungsgewalt kann keiner seinen Besitzstand anmelden. Niemand kann sagen, die Welt „gehört“ mir. Richtig ist: Die Welt „gehört“ Gott. Er hat sie geschaffen; darum kann er über Anfang und Ende verfügen.

Aber Gott hat diese Welt den Menschen anvertraut. „Hiermit übergebe ich euch alle Pflanzen auf der ganzen Erde... euch sollen sie zur Nahrung sein“ (Gen 1,29). Einige Verse weiter berichtet die Bibel: „Gott, der Herr, nahm den Menschen und setzte ihn in den Garten von Eden, damit er ihn bebaue und hüte“ (Gen 2,15). Über diese Schriftstelle wird heute aus ökologischer Sicht viel nachgedacht und geschrieben. Die Welt ist - wie die Bibel sagt - ein Garten. Dieser Garten wurde den Menschen anvertraut; er soll ihn nicht plündern, nicht ausbeuten, nicht für die kommende Generation zerstören, sondern ihn pflegen und beschützen.

Das Motto des MISEREOR-Sonntags will aber nicht in erster Linie eine ökologische Überlegung anstellen, sondern nach dem Verteiler-System, nach der sozialen Gerechtigkeit fragen. Wem gehört die Welt? Gehört sie den Mächtigen, den Reichen, den Eroberern, den Diktatoren, den Militärsystemen, oder gehört sie ebenso den Hungernden, Armen, Schwachen? Wenn die Forscher für die kommenden Jahrzehnte größte Süßwasserknappheit voraussagen, ist die MISEREOR-Frage zuzuspitzen: Wem gehört das Wasser? So können wir die Frage „Wem gehört die Welt?“ immer weiter konkretisieren: Wem gehört der Zucker, der Weizen, das Erdöl, das Kupfer, die Bodenschätze im eigenen oder fremden Land?

Der Irakkrieg führt uns auf grausame Weise vor Augen, wie berechtigt die Frage von MISEREOR ist. Wem gehört diese Welt - den Irakern, Muslimen, Amerikanern, Schiiten, Sunniten, Kurden? Die gerechte Verteilung der Güter in der Welt ist sicher ein äußerst schwieriges Problem. Wer möchte schon abgeben, was er bisher sein eigen genannt hat? Wer möchte teilen? Weil diese Aufgabe fast unlösbar scheint, sollten wir auf zwei Sätze aus dem heutigen Evangelium achten. Der eine ist ein Wort Jesu: „Jetzt wird der Herrscher dieser Welt hinausgeworfen werden“ (Joh 12,31). Solange das Böse die Welt regiert, ist gerechte Verteilung nicht möglich. Wir müssen mit dem Bösen rechnen bis zum jüngsten Gericht. Daher bleibt uns nur das Gebet, damit Gott sich gegenüber dem Bösen als mächtig erweist.

Das andere Wort im heutigen Evangelium stammt aus dem Munde einiger intelligenter Griechen, die vielleicht auch mit ihren Problemen nicht zurecht kamen. Sie bitten den Apostel Philippus: „Wir möchten Jesus sehen“ (Joh 12,21).

Wenn wir nicht auf die anderen zeigen wollen, die bei der Verteilung in der Welt versagt haben, dann müssen wir bei uns selbst anfangen. Jesus zu sehen, ihn zu befragen, sein Wort zu hören und zu studieren, seinen Umgang mit Armen und Schwachen zu beobachten - das könnte ein Anfang sein.

So geht es am MISEREOR-Sonntag weniger um die Höhe des gespendeten Geldes, sondern mehr um die Gesinnung Jesu. Zu ihr gehört dann vornehmlich die verwandelnde Kraft des Teilens. Wer anderen gibt, beschenkt sich selbst. Wer andern gibt, hat nicht weniger, sondern mehr Glück in seinem Herzen.

Ihr

Paul Jakobi
Propst

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