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Wer Licht in die Welt bringen will, wird Elektriker - Oder Priester

Pfarrbrief vom 18.04.2002:
Mit diesem provozierenden Werbespruch wende ich mich am Sonntag der Geistlichen Berufe an Jungen und junge Männer in unserer Gemeinde, die in irgendeiner Weise Interesse daran haben, Licht in die Welt zu bringen. Ich weiß zwar, dass zu den geistlichen Berufen auch Ordensfrauen, Ordensbrüder und andere geistlich orientierte Beauftragte der Kirche gehören; aber heute wollte ich mich einmal auf die Priester konzentrieren. Mit dieser direkten Ansprache der Jungen unserer Gemeinde ist die Bitte verbunden, doch einmal die ungewöhnliche Frage an sich heranzulassen: Sollte ich Priester werden?

Wer den Mut hat, sich dieser Frage zu stellen, sieht sich im selben Augenblick von 100 Bestien umgeben, die ihre Zähne fletschen. Jede Bestie versucht, mit einer Gegenfrage ein mögliches Interesse am Priesterberuf zu zerstören. Solche Zweifel weckenden Fragen lauten: Bin ich überhaupt für diesen Beruf fromm genug? Habe ich Interesse an dieser Kirche? Würde ich mit dem Zölibat fertig? Könnte ich ein Leben lang ohne Ehefrau und ohne eigene Familie leben? Wird der Priester in dieser Welt noch gebraucht? Müsste ich nicht Sorge haben, überflüssig zu sein? Kann ein Mensch ohne Erfolg leben und glücklich werden? Verlassen die Ratten nicht das sinkende Schiff der Kirche? Bin ich nicht viel zu unbegabt, um Menschen zu belehren, ihnen den Glauben zu erklären und Sonntag für Sonntag vor ihnen zu predigen? Kann ich nicht in jedem anderen Beruf mehr Geld verdienen? Und muss ich nicht schuften wie ein Pferd bis an mein Lebensende? Noch viele andere Bestien liegen auf der Lauer, um denjenigen anzufallen, der der Frage nicht ausweicht: Sollte ich Priester werden?

Weil Bangemachen nicht gilt, setze ich nach fast 50 Priesterjahren die Behauptung dagegen: Es gibt keinen schöneren Beruf als den des Priesters! Auch in heutiger Zeit erfährt jeder Priester, wie sehr er gebraucht wird. Von einem überflüssigen Beruf kann überhaupt keine Rede sein. Viele Menschen befinden sich in solchen Unsicherheiten, Zweifeln, Ängsten, Problemen und Dunkelheiten, dass sie förmlich nach Licht schreien. Wie viele Menschen müssen erfahren, dass ihre Sehnsucht nach Leben kaum Erfüllung findet. Die Statistik täuscht, die uns weismachen will, nur 50 % würden noch an Gott glauben. In allen Menschen steckt das Verlangen nach "tiefer, tiefer Ewigkeit" (Goethe). Jeder Priester ist geachtet, der mit der Botschaft Gottes im Herzen auf solche Sehnsüchte der Menschen einzugehen versucht.

Kein junger Mann, der sich für den Priesterberuf entscheidet, kann seinen Lebensweg voraussehen - was auch für jeden anderen gilt. Aber er kann sich an das Wort der jüdischen Weisheit halten: "Jeder Mensch wird des Weges geführt, den er gewählt hat." Gott lässt sich niemals von uns an Großmut übertreffen. Wer sich für ihn entscheidet, wird auch von ihm geleitet. So wie es das Wagnis des Glaubens gibt, gibt es auch das Wagnis des priesterlichen Weges. Aber dieses Wagnis lohnt sich!

Ich lade alle jungen Männer herzlich ein, sich mit diesen Fragen einmal - vielleicht an einem Wochenende in einem Kloster - zu beschäftigen. An viele Menschen ergeht der Ruf Gottes; aber ohne Stille und Besinnung kann man ihn nicht hören.
 
Ihr

Paul Jakobi
Propst

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