Dom Minden  
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Ein einfühlsamer Kirchenmusiker nimmt Abschied

Pfarrbrief vom 25.11.2001:
Nach genau 34jähriger Tätigkeit als Domorganist und Chorleiter am Mindener Dom verabschieden wir Herrn Wilhelm Leenen, der auf eigenen Wunsch in den Ruhestand geht. Wie wir ihn kennen, wird er sich nicht zur Ruhe setzen, sondern neuen Plänen nachgehen, zu deren Verwirklichung er im aktiven Dienst nicht gekommen ist. Dass der Abschied mit der Weihe der neuen Querhausorgel zusammenfällt, lässt Vermutungen aufkommen. Sollte sein Ausscheiden aus dem Amt noch einmal mit einem Höhepunkt in seinem Musikerleben verbunden werden, da er das Konzept dieser Orgel mit entwickelt hat? Will die Domgemeinde ihm zeigen, was er alles aufgibt? Oder möchte er am Tage der Orgelweihe bescheiden in den Hintergrund treten? Welche Deutung auch übernommen wird - eines steht fest: wir haben Herrn Leenen viel zu danken; darum fällt uns der Abschied wirklich nicht leicht.

Herr Leenen hat sich bei seiner Vorstellung in Minden mit besten Zeugnissen empfohlen. So hat er auch mit seinen musikalischen Fähigkeiten nie enttäuscht. Er hatte eine wunderbare Gabe, mit Kindern umzugehen und ihnen die ersten Schritte in der Kirchenmusik beizubringen. Die Kinder in der Knabenschola und Mädchenkantorei, mit denen er große Reisen bis in die Heilige Stadt Rom unternommen hat, haben ihn gern gehabt. Oft haben mir Gemeindemitglieder voller Stolz erzählt, sie seien als Kinder bei Herrn Leenen in die Schule gegangen. Vielen jungen Menschen hat er den Weg in den Domchor geebnet. So haben sie den Reichtum der Kirchenmusik kennen und schätzen gelernt.

Seine besondere Sorge galt dem Domchor, mit dem er an jedem Freitag Abend geprobt und kleine und große Werke aufgeführt hat. Viele Sänger und -innen aus der Stadt konnte er an den Domchor binden und ihnen über den Gesang die Liturgie nahe bringen. Der Gesang des Chores und der Choralschola im Rahmen der Liturgie ist niemals Selbstdarstellung, sondern immer der Ernstfall des Glaubens. Es kann kaum etwas Schöneres geben, als die für die Kirche geschriebenen Kompositionen im Rahmen eines Gottesdienstes zum Lobe Gottes aufzuführen. Hier erst erreicht die Kirchenmusik ihre ganze Tiefe. Die Seele wird auf Gott hin ausgerichtet; dabei werden die Gläubigen in das Zeugnis des Glaubens einbezogen. Dieses Geheimnis der Kirchenmusik hat auch Herr Leenen oft erfahren, wenn er als Dirigent selbst zutiefst bewegt war. Oft hat er die religiösen Saiten im Menschen zum Klingen gebracht. Chormitglieder und Orchester haben mir gesagt, wie sehr sie das ruhige, souveräne und einfühlsame Dirigat dieses Chorleiters geschätzt haben.

Die neue Kuhn-Orgel (1996) hat dem leidenschaftlichen Organisten noch einmal mächtigen Auftrieb gegeben. Neben der Freude am eigenen Spiel, neben den von ihm phantasiereich musikalisch gestalteten Gottesdiensten und selbst gegebenen Orgelkonzerten hat er auch im Rahmen seiner Orgelzyklen Spitzenorganisten aus ganz Europa herangeholt und dem Dom und der Stadt Minden hohes, kirchenmusikalisches Ansehen verschafft. Aus den letzten Jahren sind die Aufführungen etwa des War-Requiems von Benjamin Britten im Rahmen des Stadtjubiläums 1998 und des Elias von Mendelssohn-Bartholdy in dem des Bistumsjubiläums 1999 unvergesslich.

Nun stehen wir in der Domgemeinde am Abschluss einer kirchenmusikalischen Epoche, die von Herrn Leenen geprägt worden ist. Die Domgemeinde und alle Freunde der Kirchenmusik danken ihm für seinen einfühlsamen Dienst von ganzem Herzen. Möge Gott ihm zur weiteren Erfüllung seines Lebens noch viele Jahre schenken - zusammen mit seiner musikalischen Familie.
 
Ihr

Paul Jakobi
Propst

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