Dom Minden  
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Muslime in unserer Mitte

Pfarrbrief vom 30.09.2001:
Kein Terrorist kann sich auf seine Religion berufen. Dieses klärende Wort hat Papst Johannes Paul II. in diesen Tagen den Terroristen entgegen gehalten. Es gilt für alle Religionen der Erde - für die christliche, die jüdische und auch die islamische. Wer es dennoch tut, hat seine Religion missbraucht und sie im Kern verfälscht.

Umso wichtiger ist es, in diesen Tagen der Trauer und der Wut nicht in unerlaubte und ungerechte Pauschalierungen zu verfallen, sondern wahrhaftig und fair mit den anderen, bei uns beheimateten Religionen umzugehen. In Minden sind wir Christen mit den Juden eng und freundschaftlich verbunden, mit den Moslems möchten wir ebenfalls gute Beziehungen unterhalten. Viele Gemeindemitglieder werden sich erinnern, dass wir vor Jahren die Moslems eingeladen hatten, an unserer Fronleichnamsprozession teilzunehmen. Sie sind damals unserer Einladung gefolgt und haben anschließend im Rahmen unseres Pfarrfestes mit uns gegessen und getrunken. Der damalige Imam hat am Schluss der Prozession vor der Propstei ein bewegendes Wort gesprochen.

Schon vor der Terroraktion in Amerika hatte unser Pfarrgemeinderat Kontakt zu den Moslems aufgenommen, um ihnen in ihrer Begegnungs- und Gebetsstätte einen Besuch abzustatten. Es ist das Ziel dieser Begegnung, einander besser kennen zu lernen und dadurch auch Gemeinsamkeiten zu entdecken.

In Deutschland leben zur Zeit über 3 Millionen Muslime gegenüber 81.000 Juden und 30 - 50.000 Buddhisten. Das Wort Islam heißt übersetzt Hingabe - an den Willen Gottes. Die Muslime beten den alleinigen (nicht dreifaltigen) Gott an; er ist barmherzig und allmächtig, der Schöpfer des Himmels und der Erde. Die Glaubensquellen sind der Koran und die Reden des Propheten Muhammad. Jesus ist für sie nicht Gottes Sohn, aber ein großer Prophet, den sie verehren. Die fünf Säulen des Islam sind: das Bekenntnis zur Einheit Gottes und zur Prophetenschaft Muhammads, das fünfmalige tägliche Gebet, die Sozialabgabe, das Fasten im Monat Ramadan und die Wallfahrt nach Mekka. Von zentraler Bedeutung ist für sie - wie bei uns Christen - die Barmherzigkeit Gottes. So lautet der erste Vers der ersten Sure des Koran: Im Namen des Allerbarmers, des Allbarmherzigen. Einige Suren weiter: Euer Herr hat sich zur Barmherzigkeit verpflichtet. Wenn einer von euch in Unwissenheit Böses tut und dann später umkehrt und sich bessert, findet er Gnade. Gott ist barmherzig und bereit zu vergeben (Sure 6, 54).

Der Islam hat wichtige Elemente des jüdischen und christlichen Glaubens übernommen, etwa die 10 Gebote Gottes und die großen Gestalten wie Mose und Abraham. In jedem Jahr hören auch die Muslime in ihrer Moschee die ergreifende Geschichte über Abraham, der im Gehorsam gegenüber Gott seinen Sohn Isaak zu opfern bereit war.

So ist es verständlich, dass das 2. Vat. Konzil in seiner Erklärung über das Verhältnis der Kirche zu den nichtchristlichen Religionen mit Hochachtung über die Religion des Islam gesprochen und den Dialog mit ihr gefordert hat. Wie friedliebend der Islam in seinem Herzen ist, kann aus dem Bittgebet des Propheten Muhammad ersehen werden:

Gott, du bist Friede: Friede geht aus von dir und Friede kehrt zu dir zurück. Gewähre uns, Gott, in Frieden zu leben und in die Wohnung des Friedens einzugehen.
 
Ihr

Paul Jakobi
Propst

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